Was ist Tinnitus?

Unter Tinnitus versteht man Ohrgeräusche, wie zum Beispiel Ohrensausen oder Ohrenrauschen oder Ohrenklingeln. Typisch am Tinnitus ist, dass diese Ohrgeräusche in der Regel nur vom Betroffenen wahrgenommen werden. Ein gelegentliches Ohrensausen hat schon fast jeder Mensch einmal erlebt. Solche Ohrgeräusche sind ganz normal. Sie verschwinden in der Regel nach wenigen Sekunden oder Minuten. Es handelt sich dabei um vorübergehende Funktionsstörungen des Innenohres, unser Gehirn stellt innerhalb kürzester Zeit fest, dass es sich dabei jedoch um ein unwesentliches Geräusch handelt und schaltet diesen Ton von selbst aus. In manchen Fällen jedoch nistet sich dieser Tinnitus in unserem Gehirn ein und führt dann zum dauerhaften Tinnitus.

Ca. 8 % der erwachsenen Bevölkerung Österreichs haben einen dauerhaften oder chronischen Tinnitus. Die meisten Menschen, die ständig einen Tinnitus haben, finden ihn nicht aufdringlich, störend oder anstrengend. Für manche Menschen wird der Tinnitus jedoch zu einer echten Belastung und Beeinträchtigung der Lebensqualität. Der Hauptunterschied zwischen Menschen, die sich von ihrem Tinnitus gequält fühlen, und denen, die sich nicht gequält fühlen, liegt in der Bedeutung, die die Betroffenen ihrem Tinnitus beimessen. Diejenigen, die unter ihrem Tinnitus leiden, erleben die Ohrgeräusche als Bedrohung. Sie konzentrieren ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Tinnitus, ärgern sich über ihn, machen sich Sorgen oder stellen sich immer wieder quälende Fragen, wie zum Beispiel „warum habe gerade ich ihn?, habe ich einen Hirntumor?, wird er wieder vergehen?“. Diese und andere Fragen sind durchaus verständlich. Ungünstig ist aber die tägliche Beschäftigung durch Wiederholung der Fragen, denn dadurch bleibt der Tinnitus im Vordergrund des Bewusstseins, wodurch das Ohrgeräusch unerbittlich anwesend bleibt.

Die dauernde Aufmerksamkeit auf den Tinnitus und seine negative Bewertung, weniger der Tinnitus selbst ist verantwortlich für die Stärke der Beeinträchtigung.
Ein häufiger Grund für diese Grübeleien sind Unsicherheit und offene Fragen hinsichtlich des Tinnitus. Durch die ständigen Fragen und Sorgen rund um den Tinnitus sowie das Gefühl, den Ohrgeräuschen hilflos ausgeliefert zu sein wird unsere Aufmerksamkeit vermehrt auf den Tinnitus gelenkt. Dadurch jedoch wird der Tinnitus intensiver und lauter empfunden. Dies führt jedoch dazu, dass die Ängste und die Sorgen, die mit dem Tinnitus verbunden werden, noch stärker werden und dadurch wieder unsere Aufmerksamkeit vermehrt auf den Tinnitus gerichtet wird. Auf diese Weise wird ein sich selbst verstärkender Teufelskreis in Gang gesetzt, der zur Aufrechterhaltung bzw. Verstärkung des Tinnitus führt.

Wie kann man diesen Teufelskreis durchbrechen?

Akustische Reize, die ständig vorhanden sind, nehmen wir in der Regel nach einer gewissen Zeit nicht mehr bewusst war, zum Beispiel das Summen eines Kühlschranks oder das Ticken der eigenen Uhr. Voraussetzung dafür ist, dass wir diese Reize als für uns bedeutend bewerten. Wir widmen unsere Aufmerksamkeit nämlich nur solchen Empfindungen, denen wir eine bestimmte Bedeutung geben.

Ein ständig vorhandenes Geräusch, um das wir uns keine Gedanken machen, wird nach einiger Zeit nicht mehr bewusst wahrgenommen, obwohl das Geräusch weiterhin vorhanden ist.
Negative Gedanken über den Tinnitus geben ihm eine bedrohliche Bedeutung. Dadurch kann der vorhin beschriebene Gewöhnungsprozess nicht eintreten. Solche Gedanken führen dazu, dass die Aufmerksamkeit ständig auf den Ohrgeräuschen haften bleibt. Tinnitus kann möglicherweise ein lebenslanger Begleiter sein. Daher ist es wichtig zu lernen, ihn in die Kategorie der langweiligen wiederkehrenden Geräusche, die keine lebenswichtige Bedeutung haben, einzuordnen. Wir können unsere Aufmerksamkeit auf einzelne Sinne, also beim Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten bewusst steuern. Gerade beim Hören machen wir nahezu unentwegt davon Gebrauch. Es ist Ihnen bestimmt eine vertraute Erfahrung, dass Sie, wenn Sie ganz konzentriert an einer Sache arbeiten, Hintergrundmusik, Straßenlärm oder eine gedämpfte Unterhaltung in einiger Entfernung nicht mehr wahrnehmen. Sie schalten die Ohren sozusagen vom bewussten Hören weitgehend ab. Bei dieser Filterfunktion, die uns vor einer Reizüberflutung schützt, handelt es sich allerdings um keine passiven, sondern um einen aktiven Prozess. Das heißt, wir suchen uns aus, was wir im Moment wahrnehmen wollen und was nicht. Dieser Mechanismus lässt sich auch bezüglich der Ohrgeräusch nutzen. Natürlich ist es nicht ganz so einfach, die Aufmerksamkeit willkürlich an- und abzuschalten. Mit etwas Geduld können Sie jedoch lernen, den Tinnitus aus Ihrem Bewusstsein auszublenden und ihn als Teil des Hintergrundes zu akzeptieren. So kann es Ihnen gelingen, den Tinnitus irgendwann nahezu völlig zu ignorieren.

Wir können unsere Aufmerksamkeit für alle unsere Sinne steuern.
Somit können Sie lernen, Ihre Aufmerksamkeit vom Tinnitus weg, auf andere Wahrnehmungen zu richten. Dieser Lernprozess verläuft in der Regel stufenweise. Die Stufen sind gekennzeichnet durch den Grad der Aufmerksamkeit, die Sie dem Tinnitus zuwenden. Zunächst ist der Tinnitus nahezu immer präsent und Sie erleben ihn als massive Beeinträchtigung. Im nächsten Schritt werden Sie beobachten, dass Sie Ihren Tinnitus zeitweilig nicht mehr wahrnehmen, insbesondere während Sie mit ablenkenden Tätigkeiten beschäftigt sind. Im Weiteren nimmt die Wahrnehmung des Tinnitus zunehmend ab und begrenzt sich hauptsächlich auf Zeiten der Müdigkeit, des Stresses oder der Stille. Sie empfinden den Tinnitus zwar noch als lästig, aber nicht mehr als bedrohlich. Die letzte Stufe stellt das Akzeptieren des Tinnitus dar, das heißt, die Ohrgeräusche werden nur noch selten bemerkt. Das geschieht nur mehr in Situationen, wo Sie an Ihren Tinnitus erinnert werden. Sie empfinden den Tinnitus weder als lästig, noch als störend, Sie können gelassen mit Ihm umgehen. Ziel der Tinnitusbewältigungstherapie ist es, Sie darin zu unterstützen, Ihre Einstellung zum Tinnitus genau zu überprüfen und zu ändern. Mit Hilfe von Entspannungstechniken und Erlernen der Aufmerksamkeitssteuerung sollen Sie lernen, den Tinnitus zu ignorieren. Weiters sollen Ihnen Wege aufgezeigt werden, um mit dem Tinnitus gelassener umzugehen. Weiters sollen Sie lernen, Stress besser bewältigen zu können, Anspannung besser abbauen zu lernen, um diese beiden Risikofaktoren für die Entstehung vom Tinnitus zu reduzieren und den Teufelskreis zu durchbrechen. Die Tinnitusbewältigungstherapie wird in Kleingruppen (4-6 Personen) durchgeführt. Die wöchentlichen Treffen – Dauer ca. 2 Stunden – strecken sich über einen Zeitraum von etwa 12 Wochen. Das Training besteht aus verschiedenen Modulen, die aufbauenden Charakter haben, weshalb es erforderlich ist, dass Sie möglichst kein Treffen versäumen.